Gegen die Krise in den Köpfen: Umsichtige Kommunikation ist Medizin gegen die Angst vor SARS und Terror Unternehmensberater warnt vor Ausverkauf im Tourismus - Qualität statt Billigangebote soll Vertrauen wieder herstellen - Fürsorge wird honoriert
München (22. Mai 2003) – „Die Reisebranche leidet nicht an der Seuche SARS oder dem Terror in der Welt. Sie leidet an der Angst der Verbraucher.“ So begründet der Frankfurter Unternehmensberater Peter Höbel beim „Medienforum 2003“ die massiven Einbrüche in der Touristikbranche. Vor Journalisten in München sagte er, Menschen beurteilen nicht die tatsächliche Bedrohung, sondern die vermeintlichen Risiken. Die weit über konjunkturbedingte Zurückhaltung hinausgehende Verweigerung sei die Folge einer massiven Vertrauenskrise, die mit den klassischen Mittel von Werbung, Marketing und PR nur begrenzt beeinflussbar ist. Da die verunsicherten Menschen in dieser Situation Argumenten gegenüber kaum zugänglich seien, komme es jetzt darauf an, operationelle Maßnahmen und vertrauensbildende Krisenkommunikation optimal zu verknüpfen. Die Krise in den Köpfen müsse in den Köpfen gelöst werden. Gleichzeitig warnte Höbel vor einer „Ausverkaufsstimmung“ in der Reisebranche. Vertrauensbildung finde auf der Gefühlsebene statt. So sei für Reiseentscheidungen nach Asien unerheblich, dass an der Lungenkrankheit SARS bislang einige hundert Menschen starben, demgegenüber nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich fünf Millionen Menschen in Folge von Tabakkonsum umkommen. Sachlich völlig unbegründet sei auch der Verzicht auf Reisen auf weit von den Seuchenzonen entlegenen Gebieten. „Geradezu absurd ist es , wenn in manchen Reisebüros vor Thailand oder Malysia als Urlaubsziel abgeraten wird,“ führt Höbel als Beispiel an. Ein weiterer Beleg sei, diffuse Ängste einseitig auf das Verkehrsmittel Flugzeug zu fokusieren. Es sei zwar psychologisch verständlich, weil schon im Normalfall bis zu 60 Prozent der Passagiere unter mehr oder weniger ausgeprägten Flugängsten litten. Die Ängste stünden auch hier in keinerlei Verhältnis zur tatsächlichen Gefahrenlage. „Objektiv gehören Flughäfen und Flugzeuge heute zu den sichersten Orten der Welt“, ist sich Höbel sicher. Niemand komme in deutschen Großstädten hingegen auf die Idee, seine Arbeit in Bürotürmen einzustellen oder auf Fahrt in der U-Bahn zu verzichten. Da sich das Bedrohungspotential praktisch alle Lebensbereiche ausgeweitet habe, werden sich die Menschen an ein Leben mit allgemein erhöhter Wachsamkeit und schärferen Sicherheitsvorkehrungen gewöhnen. Zum Abbau der allgemeiner Ängste trügen aber auch hier nicht Fakten bei, sondern praktizierte Fürsorge, Hinwendung, und Sympathie“, sagte der Geschäftsführer von crisadvice. Der Krisenexperte bezeichnet es als verheerenden strategischer Fehler der Branche, zur Stimulierung des Marktes und zum Absatz von Überkapazitäten die Preisschraube weiter nach unten zu drehen. „Wenn Menschen aus Furcht bestimmte Destinationen meiden, wird deren Angst selbst mit Gratisreisen nicht überwunden“, meint Höbel. Nutznießer der Billigpolitik seien daher nur Kunden, die ohnehin gereist wären. Logischen Folge: Weiterer Ertragsverfall anstelle einer Belebung des Marktes. Anstelle einer Ausverkaufsstimmung müsse kommunikativ an einer Aufbruchstimmung gearbeitet werden. Verlorene Kunden in Luftverkehr und Touristik, so Höbels Überzeugung, könnten nur durch starke persönliche Botschaften zurückgewonnen werden. Die grundlegenden Konzepte hierfür seien bereits vor mehr als zehn Jahren entwickelt und bereits während des Golfkriegs erstmals erfolgreich eingesetzt worden.Mit Billigangeboten werde allenfalls erreicht, die Wertigkeit des Produkts nachhaltig zu schädigen. Wirtschaftlich sinnvoller sei es, in allen Bereich der Wertschöpfungskette die Kapazitäten erheblich zurückzufahren und die Qualität zu verbessern. Dies gelte auch für betroffene Destinationen. Wenn beispielsweise Hotels teilweise leerstehen, könne die Flaute für Modernisierung und Renovierungen genutzt werden. Wenn Kellner, Fremdenführer oder Manager unbeschäftigt sind, sollen sie zur Fortbildung geschickt werden. Dieser Ansatz werde beispielsweise zur Zeit mit staatlicher Förderung in Tunesien beschritten. Vor Journalisten in München führte crisadvice-Geschäftsführer Höbel aus, dass Krisenmanagement und Krisenkommunikation als konsequenter Bestandteil des Qualitätsmanagements begriffen werden müssen - auch wenn in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzliche finanzielle Mittel schmerzen. „Die Verbraucher sind einerseits zunehmend kritischer und konfliktbereiter, aber auch dankbar für konkrete Orientierungshilfen“. Höbel: „Fürsorge wird belohnt, jede Nachlässigkeit aber straft der Kunde sofort ab“. Dies gelte für kleiner Zwischenfälle, wie für Schadensereignisse und eben auch allgemeine Risikoeinschätzungen. Praktisch bedeute das für die Unternehmen · bereit zu sein, direkt Verantwortung für die eigenen Kunden zu übernehmen, auch wenn beispielsweise das konkrete Verschulden an einen Zwischenfall letztlich bei anderen liegt, · permanent mental auf sofortiges Handeln eingestellt sein, · alle Geschäftsbereiche in die personellen, technischen und strategischen Vorbereitungen auf Krisensituationen miteinzubeziehen und Konfliktfelder schon im Vorfeld zu bereinigen, · und stets die Menschen - Kunden wie Mitarbeiter - in den Mittelpunkt aller Überlegungen zu stellen.
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