13:27 25Nov2004 HINTERGRUND-
TUI schreckt mit Sicherheitsoffensive Branche
auf
- Von Andreas Möser -
Palma de Mallorca, 25. Nov (Reuters) - Der Touristikkonzern TUI<TUIG.DE>
sorgt mit seinem Vorstoß für einen offensiveren Umgang mit
Terror- und Sicherheitsrisiken in der Reisebranche für Unruhe. Etliche
Konkurrenten reagieren distanziert oder auch ablehnend auf die Pläne
des Marktführers. Denn der will sich als erster Reiseanbieter - und
offenbar bislang in der Branche bislang nicht abgestimmt - einer Begutachtung
durch Dritte zu unterziehen und dafür ein Zertifikat für das
Krisen- und Sicherheitsmanagement einzuführen. TUI bringe mit diesem
sensiblen Thema die Konkurrenten gehörig in Zugzwang, sagen Branchenexperten.
Auch auf der Jahrestagung des Branchenverbandes DRV, die am Donnerstag
in Palma de Mallorca begann, steht der Umgang mit Terrorgefahren zur Debatte.
Bislang platzierten Reiseveranstalter Hinweise auf Sicherheitsrisiken
in Urlaubsländern meist irgendwo im Preisteil. Die Aussicht auf Sonnenschein
und Erholung lasse sich nicht besonders gut verkaufen, wenn gleichzeitig
über Gefahren geredet werde, lautet eine noch immer weit verbreitete
Ansicht unter Touristikern. Aber nicht erst seit den Anschlägen vom
11. September 2001 in den USA, die eine weltweite Reisekrise auslösten,
muss sich die Urlaubsbranche mit dem Thema Sicherheit auseinandersetzen.
Seit jeher brechen die Buchungszahlen ein, wenn Urlaubsgebiete von Krieg,
Unruhen, Unwetter oder gezielten Anschlägen auf Hotels oder Touristenbusse
betroffen sind.
Interne Diskussionen bei den Veranstaltern, wie man mit diesem Problem
umgehen soll, gibt es seit langem. TUI geriet jetzt in die öffentliche
Auseinandersetzung, als Eltern eines Jungen das Unternehmen verklagten.
Das Kind wurde bei einem Anschlag vor der Synagoge von Djerba (Tunesien)
schwer und auf Lebenszeit verletzt. In erster Instanz sah das Landgericht
Hannover die Informationspflicht von TUI nicht verletzt.
Der TUI Deutschland-Chef geht nun in die Offensive, weil das Thema Sicherheit
heute einen höheren Stellenwert habe als früher. Die Terrorgefahr
sei im Grunde spätestens seit dem 11. September 2001 allgegenwärtig.
Man könne mit einem Zertifikat auch die hohen Standards demonstrieren.
EXPERTE - BISHER ZU SEHR AUF AUSWÄRTIGES AMT VERLASSEN
Experten, wie Peter Hoebel von der Beratungsfirma Crisadvice,
raten seit längerem zu einem offenerem Umgang mit Terrorgefahren
im Urlaub. "In der Vergangenheit hat es sich die Touristik oft zu
leicht gemacht und in Sicherheitsfragen allein auf das Auswärtige
Amt verwiesen", sagt Hoebel.
"Heute reicht das nicht mehr, die Veranstalter
müssen sich der eigenen Verantwortung stellen." Die bleibe eine
Gratwanderung für eine Branche wie die Touristik und verursache auch
Kosten, die gerade kleinere Veranstalter nicht so einfach aufbringen könnten.
"Ich halte aber das Thema Sicherheit für zu wichtig, als dass
einzelne Firmen daraus Wettbewerbsvorteile ziehen sollten", sagt
Hoebel. Die Reisebranche brauche objektivierbare Kriterien.
Rainer Hoffmann, Leiter Krisenmanagement bei der Rewe Touristik, vermisst
bei dem TUI-Zertifikat bisher allgemein verbindliche Maßstäbe.
"Nach unserem Wissensstand gibt es keine anerkannte Zertifizierungsstelle
für Krisen- und Sicherheitsmanagement im Tourismus." Bislang
sei das Vorgehen bei Krisen und Notfällen gemeinsam von der Branche
und dem DRV koordiniert worden, fügt Hoffmann hinzu.
Der Deutsche Reisebüro- und Reiseveranstalterverband (DRV) verweist
auf das vorhandene Krisenmanagement, das im Ernstfall bei allen Veranstaltern
schnell reagiert, wenn es zum Beispiel gilt, Urlauber aus Krisengebieten
zurückzuholen. "Die Branche praktiziert bereits ein professionelles
Sicherheitsmanagement, das in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen
Amt geführt wird", sagt DRV-Sprecher Tobias Jüngert. In
Katalogen, Reiseunterlagen und von Reiseleitern werde auf mögliche
Gefahren hingewiesen. Ein zusätzliches Zertifikat müsse jetzt
diskutiert werden.
Der Thomas Cook<KARG.DE><LHAG.DE>-Konzern, mit der Marke Neckermann
größter TUI-Konkurrent in Deutschland, sieht für ein Zertifikat
derzeit keinen Grund. "Wir haben ein funktionierendes Krisenmanagement,
das wir regelmäßig überprüfen und das sich auch in
der Realität als effektiv erweist", sagt Cook-Sprecherin Nina
Dumbert. Man dürfe nicht Gefahr laufen, dem Reisenden mehr Sicherheit
zu versprechen, als man garantieren könne.
amr/fun
Thursday, 25 November 2004 13:27:10RTRS [nL25650336]
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